Auf dem Weg hin zur Entwicklung frugaler Produkte begleiten TUHH-Wirtschaftswissenschaftler interessierte Unternehmen
Frugal. Was der Duden dazu schreibt
„Frugal leitet sich her aus dem Lateinischen. Frugalis bedeutet zu den Früchten gehörig und fruchtig. Im Alltag bezieht sich das eher selten genutzte Adjektiv im Besonderen auf das Leben allgemein, Essen und Trinken, das als frugal beschrieben durch Einfach- und Bescheidenheit besticht. Als mögliche Synonyme bietet der Duden u.a. an: anspruchslos, ärmlich, armselig, bescheiden, einfach, genügsam, karg, kärglich, kümmerlich, puritanisch, schlicht, spärlich, spartanisch.“
Weniger ist mehr. Diese Lebensphilosophie der Bescheidenheit ist auf dem Weg zu einem erfolgversprechenden Verkaufsmodell in Schwellenländern wie Indien und China. Mit einfachen, aber guten, sprich frugalen Produkten, wollen sich deutsche Unternehmen in Schwellenländern positionieren. Bisher jedoch gelingt es nur wenigen von ihnen, ihre gewohnt hohen Qualitätsstandards zu reduzieren und mit einem erschwinglichen und gleichzeitig funktionalen, robusten Produkt Kaufinteresse zu wecken.
Doch wie entwickelt man seine Produkte frugal, was speckt man ab, was gilt es zu ersetzen? Dazu Rajnish Tiwari, Habilitant am TUHH-Institut für Technologie und Innovationsmanament (TIM) und Mitbegründer des Center for Frugal Innovation: „Man muss lernen, die Bedürfnisse der Kunden vor Ort zu analysieren und zu verstehen und hierzu geeignete Methoden, wie z.B. die teilnehmende Beobachtung (Designempathie) einsetzen. Die Lösung liegt darin, im Land selbst auf der Basis von lokalem Wissen das Produkt neu zu gestalten. Das bedeutet auf die örtlichen Gegebenheiten einzugehen und dabei neueste Techniken einzusetzen bzw. zu kombinieren. So entsteht anstelle eines komplizierten und teuren Produkts ein attraktives, robustes und preisgünstiges Frugal-Produkt. Das ist aufwändig, lohnt sich aber in jedem Fall.“
Eine aktuelle Studie aus dem TUHH-Institut belegt aber, dass Mittelständler heute immer noch mehrheitlich auf eine für den indischen Markt abgestimmte Produktentwicklung sowie auf lokale Produktion verzichten. Dies steht im krassen Wiederspruch zum erfolgreichen Entwickeln und Vermarkten frugaler Produkte in Entwicklungsländern.
Viele Großkonzerne (z.B. General Electric, Unilever oder Siemens) haben die Zeichen der Zeit schon seit langem erkannt und setzen auf frugales Design in Entwicklungsländern. Es sind vor allem die kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die sich schwer tun, in Schwellenländern Fuß zu fassen. Die einen argumentieren, die Konkurrenz sei zu groß und die Zeit noch nicht reif, bei anderen sind es Entscheidungsstrukturen innerhalb des Unternehmens, die derartige Projekte verhindern. „Tatsächlich haben viele den Trend verschlafen, dass man mit guter Qualität und einem guten Image in verschiedenen Segmenten unterwegs sein kann“, sagt der gebürtige Inder Tiwari.
Institutsleiter Prof. Dr. Cornelius Herstatt: „Wenn wir Begründungen für eine Markt-Expansion liefern, dann fällt die Entscheidung für frugales Design oft leichter. Kleine und mittelgroße Unternehmen brauchen fast immer intensive, externe Unterstützung bei der Umsetzung solcher Pläne“, so Herstatt. „Dabei versuchen wir möglichst ganzheitlich vorzugehen. Es reicht nicht aus zu sagen, ihr müsst günstiger verkaufen oder kleiner produzieren. Überraschenderweise sind Käufer bei einem lokalen Produkt, das exakt ihre Bedürfnisse erfüllt, sogar bereit mehr zu zahlen als für “Standardprodukte”, wenn die Qualität stimmt und sie beispielsweise weniger wartungsintensiv sind.“
So hilft das TUHH-Institut interessierten Unternehmen nicht nur mit Marktstudien zum Thema weiter, es arbeitet auch eng mit ihnen zusammen, wenn es um Marktexplorationen oder Konzept-Designs geht. „Für uns als Forscher ist es interessant, den gesamten Prozess zu begleiten und die Herausforderungen aus den unterschiedlichen Sichtweisen zu verstehen. Unsere Ergebnisse geben wir schließlich verallgemeinert an andere Unternehmen und an unsere Studierenden weiter“, sagt Herstatt. Als Beispiel für eine erfolgreiche Marktbearbeitung auf dem indischen Subkontinent verweist er auf Claas, den Weltmarktführer im Bereich von Landmaschinen wie z.B. Mähdreschern. In bilateraler Teamarbeit entwickelt und produziert Claas nach deutschen Qualitätsmaßstäben Produkte in Indien, die sowohl im Land als auch über dessen Landesgrenzen hinweg verkauft werden. Dabei bleibt der Hersteller so flexibel, dass es für den Käufer möglich ist, jederzeit sein Gerät technisch aufrüsten zu lassen.
Autorin: Martina Brinkmann, Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, 25. Sep 2014
Quelle: http://www.tuhh.de/zeit-beilage/startseite/frugale-produktion.html